Über das Projekt

Das an den Universitäten Bern und Kiel situierte SNF/DFG-Projekt (Weave Lead Agency Initiative) untersucht in komparatistischer Perspektive die weltliche Verwaltung verschiedener geistlicher Fürstentümer des römisch-deutschen Reichs zwischen ca. 1440 und 1520. Es überprüft zwei Hypothesen: Die erste Hypothese geht davon aus, dass Hochstiftsverwaltungen Schnittfelder der spätmittelalterlichen Gesellschaft bildeten, weil sie ,Treffpunkte‘ unterschiedlichster herrschaftlicher Akteure an der ,Zentrale‘ eines geistlichen Fürstentums waren. Gemäß der zweiten Hypothese fungierten Hochstiftsverwaltungen als Schrittmacher für die Fortentwicklung von Verwaltungsstrukturen: So mussten Sie schon früh auf juristisch gebildetes Personal setzen und aufgrund der Besonderheiten bischöflicher Herrschaft innovative Lösungen finden, um Kontinuität zu wahren und um Konflikte zu vermeiden.

Diese beiden Hypothesen werden anhand der fünf Forschungsschwerpunkte (1) Karrieren, (2) Praktiken, (3) Wissen, (4) Konkurrenzen und (5) Identitäten mit einer je spezifischen Untersuchungsmethodik bearbeitet. Diese Schwerpunkte bilden die Forschungsmatrix von vier Dissertationsprojekten: (1) zum Amtsantritt des Bischofs und zur Neuordnung der Verwaltung, (2) zum Verhältnis der Verwaltungen am Bischofshof, (3) zu Finanzen und (4) zu Amtsträgern der zentralen und lokalen Verwaltung. Als Fallbeispiele fungieren die Diözesen Augsburg, Bamberg, Basel, Konstanz, Lübeck und Mainz. Eine gemeinsame Datenbank dient als virtuelle Forschungsplattform.

Durch den Einbezug von umfangreichem Quellenmaterial wird für die prosopographische Erfassung des Verwaltungspersonals Grundlagenforschung geleistet und eine neue Sicht auf die vormodernen Führungsgruppen und Funktionseliten ermöglicht, deren Geschichte bislang fast ausschließlich für den weltlichen Bereich geschrieben wurde. Der Vergleich mehrerer Hochstifte über ein knappes Jahrhundert hinweg wird überregionale Ähnlichkeiten, aber auch die Heterogenität der Verhältnisse und den historischen Wandel sichtbar machen. Zugleich wird für weitere Forschungen die Voraussetzung für einen Vergleich von ,Verwaltungspraktiken‘ und ,Verwaltungskulturen‘ im europäischen Kontext geschaffen.